Die Geschichtskurse der Jahrgänge 11 und 12 des Wirtschaftsgymnasiums hatten einen Zeitzeugen zu Gast. Dr. Renatus Deckert, der als Schriftsteller in Lüneburg lebt, wurde 1977 in der ehemaligen DDR geboren und schilderte den Anwesenden, wie er seine Kindheit und als 12jähriger den Mauerfall und die Deutsche Einheit erlebte.
Reise- und Konsumfreiheit oder auch politische Freiheiten gab es für die Bürgerinnen und Bürger in der DDR nicht. Ein Telefon, in der BRD selbstverständlich, wurde mit anderen geteilt, Telefonate in den Westen mussten angemeldet werden. Ein Auto für den Nachwuchs wurde bereits bei der Geburt bestellt, denn i. d. R. betrug die Wartezeit auf einen Trabant (Trabi) 18 Jahre. Das sind nur einige der Unterschiede, die er aufführte. Auch schilderte er in eindrücklichen Worten seine besondere Situation als Sohn eines Pfarrers, womit er automatisch unter Verdacht stand, ein Systemgegner zu sein.
Auf den (Montags)Demonstrationen, die wesentlich den Weg zur Wiedervereinigung vorbereitet haben, ging die Staatsmacht brutal gegen die Demonstranten vor, die lediglich für Freiheiten, die im Westen selbstverständlich waren, auf die Straße gingen. Der Regierungssprecher Günter Schabowski verkündete am Ende einer Pressekonferenz am 9. November 1989 versehentlich „Reisefreiheit für alle ab sofort.“ Die Menschen stürmten zu Tausenden in Richtung Mauer und die Grenzbeamten mussten unter dem Druck die Mauer öffnen. Deckert selbst verschlief den Abend des Mauerfalls.
Als er nach der Grenzöffnung Verwandtschaft in Köln besuchte, besorgte er sich Reiseprospekte über die USA. Ein Land, das für Freiheit und Demokratie stand. Die Perspektive, dorthin einmal wirklich zu reisen, war in greifbare Nähe gerückt. Auch durfte er jetzt lesen was er wollte und seine Meinung, ohne Angst vor den Konsequenzen haben zu müssen, äußern. Das alles war vorher nicht möglich.
Dr. Renatus Deckert berichtete, dass er froh über den Mauerfall sei. Denn so hat ein unmenschliches und schikanöses System ein Ende gefunden, das sich in der Außendarstellung als das sozialere, gerechtere und bessere Deutschland präsentierte. Als Beispiel für die Unmenschlichkeit führte er z. B. an, dass ein bekannter politischer Schriftsteller herausgefunden hat, dass er von seinem eigenen Bruder bespitzelt wurde.
In seinem Buch „Die Nacht, in der die Mauer fiel“, hat er Berichte von Schriftstellern über den Abend des 9. November 1989 zusammengetragen.
Dr. Renatus Deckert las nicht nur einige Kapitel aus seinem Buch vor, sondern beantwortete in einer Fragerunde auch Fragen zur Staatssicherheit (Stasi), zum Wehrdienst und den damaligen allgemeinen Lebensverhältnissen.
Wir bedanken uns recht herzlich für diese vielfältigen und interessanten Einblicke in die deutsche Geschichte!
Bilder: Impressionen